Kapitel 4
Es musste ja dazu kommen...
Was hatte ich erwartet, wenn ich, ein Soldat mit Heldenkomplex und Beschützerinstinkt auf eine Insel zieht, die von Gewalt, Banditen und Korruption kontrolliert wird.
Klar, ich hatte gehört, es sei das Paradies. Eine kleine, kaum bekannte Insel, mit nur wenigen Einwohnern, kaum Steuern und nahezu unendlich viel Platz um sich selbst zu entfalten.
Wenn ich so darüber nachdenke, hätte mir früher klar sein müssen, dass dies auch ein Paradies für allerlei Abschaum ist…
Ich klappe den Koffer auf und lege meine Uniformen mit einem flauen Gefühl im Magen hinein. Es wird wohl eine Weile dauern, bevor ich wieder einen Fuß auf dieses sandige Stück Land setzen werde, bevor ich wieder die Sonne über der Nord-Ägäis aufgehen sehen werde, bevor ich wieder die trockene, aber nach Freiheit duftende Luft atmen kann und den feinen Sand, vom Wind aufgewirbelt, im Gesicht spüren werde.
Ein wenig mit Wehmut beladen schließe ich den Koffer, stelle ihn zu dem Kampfrucksack, der bereits mit meiner Ausrüstung gefüllt neben der Tür an der Wand lehnt. Ich hatte nie viele Klamotten und so dauerte es nie lange, einen Ort zu verlassen, doch nur selten hatte ich dabei das Gefühl, bleiben zu wollen…
Sonst hatte ich mich immer als „rastlos“ beschrieben, aber irgendwas hatte dieses kleine Eiland an sich. Ich kann nicht genau ausmachen, warum ich mir wünsche, bleiben zu können, aber ein wenig bereue ich es, gehen zu müssen. Vielleicht liegt es an der Freiheit, seines eigenen Heimes auf einem griechischen Atoll, vielleicht an dem sagenhaften Wetter, vielleicht an der Lebenseinstellung der Einheimischen oder deren Gastfreundschaft, oder vielleicht liegt es doch an den regelmäßigen Grillabenden mit Steppi und Zora, zwei inzwischen sehr engen Freunden…
Alleine bei dem Gedanken an die saftigen Nacken Steaks mit BBQ Sauce fließt mir das Wasser im Mund zusammen und ich kann den Grillgeruch praktisch riechen.
Aber auch diese werden wohl eine Weile aussetzen.
Ich werfe mein Gepäck auf den noch staubigen Pickup und fahre in Richtung Flughafen. Die Militärmaschine fliegt um 1700, also habe ich noch ein wenig Zeit.
Auf dem Parkplatz wartet Alex bereits auf mich, er sieht so aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Verständlich nach den Strapazen. Zu meiner Überraschung hatte er auch Steppi und Zora, Arthur Bishop und Dirk Farmer hergeholt. Alle, mit denen ich die letzten Monate verbracht, gelacht und gefeiert, Freude und Leid geteilt und wahre Freunde gewonnen hatte.
Sie waren gekommen, mich zu verabschieden, doch nicht für lange. Sobald das Verfahren in Deutschland beendet ist, komme ich zurück!
Und so stieg ich in den Flieger, der Blick aus dem Fenster auf das kleiner werdende Atoll hinter mir. Das hellblaue Wasser unter mir breitete sich immer weiter aus, bis man kaum noch die kleine Insel erkennen konnte und der Flieger bald die dünne Wolkendecke durchstießen. Plötzlich gebadet in das Gold der untergehenden Sonne schloss ich die Augen, atmete einmal tief durch und öffnete die Augen mit einer neuen Entschlossenheit!
Ich komme wieder!
Vierzehn Stunden zuvor
Mitten in der Nacht werde ich wach. Ungewöhnlich. Normalerweise habe ich einen sehr festen Schlaf, doch ein unerwartetes Geräusch hat mich aus einem Traum entführt, in dem ich gerne mehr Zeit verbracht hätte.
Instinktiv fährt eine Hand zu der geladenen 9 mm unterm Kopfkissen, bevor ich bemerke, was mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Das Handy auf dem Nachttisch vibrierte ein weiteres Mal.
"Ich hoffe, jemand ist in Lebensgefahr..." murmel ich verärgert, während ich nach dem Handy greife. "Sonst werde ich dafür sorgen...!" kommt mir der amüsante Gedanke, bei dem Kopfkino, wie der etwaige Störenfried meine schlechte Laune zu spüren bekommen würde.
"Was?!" schnauze ich in den Hörer, bevor ich die Stimme am anderen Ende erkenne und sofort begreife, der Anruf muss einen triftigen Grund haben.
Alex Morgan ist etwas außer Atem und flüstert am anderen Ende. Nur eine kurze Ortsbeschreibung und den Hinweis "drei identifizierte Ziele, Unterstützung wahrscheinlich" später stehe ich schon vor meinem Waffenschrank und greife nach dem G27. Eine Waffe, die mich bereits lange begleitet hatte und mir immer treue Dienste geleistet hatte. Als Kommando Soldat hatte ich das erste Mal mit dem Modell HK417 von Heckler und Koch zu tun und auch wenn es nicht in der Truppe eingeführt wurde, hat mich das vollautomatische Mittelstreckenscharfschützengewehr mit 7,62 x 51 mm NATO Munition von sich überzeugt.
Ich sprang in den Pickup und fuhr direkt zu der angegebenen Position.
Eigentlich eine wunderschöne, sternenklare Nacht, doch ich hatte weder die Zeit, noch die Gelegenheit dazu, nach oben zu sehen und die saubere Luft von Altis, die Blick auf zahllose Sterne ermöglichte, zu genießen.
Wolken wären besser gewesen... Sie hätten die Lichter der Städte reflektiert und mir durch meinen Restlichtverstärker ein nahezu taghelles Bild des anvisierten Bereichs gegeben. So waren nur Umrisse zu erkennen und eine Identifizierung würde quasi unmöglich werden.
Wenige Minuten später war ich bereits auf dem abgesprochenen Bergkamm in Position gegangen, den Blick auf den Alpha Checkpoint gerichtet, wo Alex sein Haus hatte.
Eine Gruppe mittelschwer bewaffneter Banditen versuchte die Schlösser der Tore des Checkpoints zu knacken und er hatte sich ihnen entgegengestellt.
Er hatte sich durch einen geheimen, nur wenigen bekannten Durchgang unter einer Brücke auf die andere Seite der Mauer geschlichen um den Banditen aus sicherer Deckung entgegenwirken zu können. Nach ein paar Warnschüssen, die sie vorerst stoppen sollten, hatte er die Position gewechselt und auf mein Eintreffen gewartet.
Inzwischen war jedoch einer der Banditen, recht unbeeindruckt von den Schüssen in die Luft, durch eines der Tore gebrochen und war im Deckungsfeuer der anderen einen Bogen um Alex gelaufen, sodass diesem bald Beschuss aus zwei Richtungen drohte und ein Stellungswechsel ohne Deckung praktisch Suizid bedeuten würde.
Ich hatte mich vorbereitet, meine Waffe liegend Freihändig angelegt und das ZF auf 800 m eingestellt. Im Entfernungen schätzen kann mir kaum jemand das Wasser reichen, so hatte ich den Entfernungsmesser gar nicht erst aus dem Rucksack geholt und war zum Glück gerade schussbereit, als das besprochene Signal erschien.
Ein Leuchtstern, abgefeuert von einer Signalpistole, stieg in den Himmel und tauchte die Landschaft in ein unwirkliches gelbes Licht. Die Schatten beginnen zu tanzen und die Augen müssen sich ein paar Sekunden an die neue Helligkeit gewöhnen.
Alex liegt an einem Felsen, gerade dabei, seine Signalpistole nachzuladen, um in wenigen Sekunden einen weiteren Leuchtstern gen Himmel zu schicken.
Plötzlich sehe ich am Rand meines Absehens eine Bewegung. Man hätte sie sehr leicht übersehen können, aber in dem unwirklichen Licht fiel alles, was nicht zu dem umliegenden Gelände gehörte deutlich auf.
Der Lauf einer Waffe schob sich hinter der Kante eines Gebäudes um die Ecke und in Richtung meines Freundes. Vielleicht 20 m trennten die beiden Personen nur, doch Alex würde nicht rechtzeitig nach seiner richtigen Waffe greifen können.
Ich fixierte die Kante des Hauses an... Einatmen... Zu zwei dritteln ausatmen...
Bumm, Bumm..... Bumm, Bumm....
Mein Herzschlag klang mir im Ohr und ich wartete darauf, dass sich der Kopf ebenfalls um die Hausecke schieben würde.
Die Zeit begann sich zu ziehen und immer zähflüssiger zu werden... Langsam schob sich eine Schulter, dann ein Helm und endlich der halbe Oberkörper in meinen Sichtbereich und ich legte den Finger an den Abzug.
Der Bandit blieb stehen, als er Alex erblickte und ging in den Anschlag, bereit mit eiskalter Heimtücke meinen Freund in den Rücken zu schießen.
Mein Zeigefinger krümmte sich und ich spürte den Druckpunkt des Abzugs. Langsam baue ich mehr Spannung auf, bis der Abzug nachgibt.
Ein Donner hallt durch das vor mir liegende Tal.
Alex greift erschrocken nach seiner Waffe, als der leblose Körper hinter ihm aufschlägt.
Nachdem ich mich versichert hatte, mein Ziel getroffen zu haben, lenkte ich meine Aufmerksamkeit zu dem Tor, dessen Schloss inzwischen aufgebrochen war.
Die anderen Schemen schienen nicht mit einem so weit entfernten Schuss gerechnet zu haben und zogen sich zurück. Mein trainiert langsamer Herzschlag wurde immer lauter in meinem Ohr und bald hatte ich das Gefühl, mein Kopf würde platzen. Ich hatte lange nicht mehr ohne Gehörschutz geschossen und es würde wohl einige Tage dauern bevor ich links wieder normal hören würde.
Nach einer ganzen Weile ohne ein weiteres Zeichen der Banditen baute ich meine Position wieder zurück, hob die Patronenhülse mit einem Taschentuch auf und hinterließ, wie ich es gelernt hatte keine weiteren Spuren meiner Anwesenheit. Dann griff ich zu meinem Handy und fragte nach Morgans Status.
Alex bestätigte mir, ebenfalls keine Bewegung mehr gesehen zu haben und so trafen wir uns etwas zurückgezogen bei einem kleinen Militärkomplex, während in der Ferne bereits die Sirenen des, wohl von verängstigten Anwohnern verständigte, ASP zu hören waren. Das blaue Leuchten in der Ferne war, seit dem der Leuchtstern verglüht war, das einzige farbige Licht in der Gegend und so kilometerweit zu sehen. Alex sah mich an, bereit sich mit mir zu stellen.
Ich schickte ihn jedoch weg, die Beamten sollten seine Beteiligung nicht erfahren müssen und ich würde mich sowieso meinen Vorgesetzten in Deutschland erklären müssen. So begab ich mich allein zurück zum Checkpoint Alpha, um mich dem Sheriff zu stellen und meinem Chef Meldung zu erstatten, während Alex sich langsam ins Dunkel der Nacht schlich...
Ein großes Danke, an alle die diesen Charakter mitentwickelt und geprägt haben. Eines Tages wird er wieder die Straßen von Altis sichern und die aktuellen und noch geplanten RP Geschichten wieder aufnehmen.
Bis dahin werdet ihr mich zwar nicht los sein, aber unter anderem Namen antreffen
In dem Sinne:
facit omnia voluntas
Alles entscheidet der Wille